Das vereiste Triebwerk der 50 0019-5 habe ich am 15. Februar 1979 im Bahnhof Berlin-Lichtenberg aufgenommen.
Nachdem Ende 1978 gewaltige Schneemassen zu chaotischen Verkehrsverhältnissen im Norden Europas führten, hatte sich die Wetterlage Anfang 1979 bei uns in Hagen am Rande des Ruhrgebiets beruhigt. Dass es bereits seit dem 13. Februar 1979 zu erneut starken Schneefällen im Norden und Osten gekommen war, habe ich wohl ignoriert. Für den 14. Februar war eine Autofahrt nach (Dampflok-)Berlin geplant.
Bereits bei vorangehenden Foto-Touren durch Ostberlin zusammen mit meinen Eisenbahnfreunden Martin und Klaus aus Hagen hatten wir am Bahnhof Baumschulenweg einen Ostberliner Eisenbahnfan kennengelernt. Mit ihm hatten Martin und ich uns für ein Treffen an den Februartagen zum Dampflok-Verfolgen und Fotografieren verabredet.
Als wir am 14. Februar losfahren wollten, war Martin krank und ich hatte keine rechte Lust mit meinem alten roten R 4 allein loszufahren. Nur, Handy in die Hand nehmen und in Ostberlin Bescheid sagen, war damals noch nicht so einfach. Es ging bereits ohne Einschaltung der Vermittlung durchzuwählen, aber dies erforderte Geduld mit dem alten Wählscheibentelefon immer und immer wieder die gleiche Nummer zu wählen und keine Verbindung zu bekommen.
So bin ich dann allein bei trockenem Wetter losgefahren. Hinter Hamm fiel der erste Regen, der beständig in Schnee überging und eine geschlossene Schneedecke bescherte. Richtung Eilsener Berge auf der A2 ging dann gar nichts mehr. Vor uns hatten sich wohl ein paar LKW quergestellt. Nach ca. zwei Stunden Wartezeit kam ein Polizeiwagen mit Blaulicht über den Wartestreifen gefahren. Es war wohl die pure Verzweiflung, ich bin ausgeschert und hinterhergefahren. Da wohl im Moment größere Probleme anstanden, als mich über mein Missverhalten aufzuklären, kam ich ungeschoren davon und verließ die Autobahn dem Polizeiwagen folgend über einen Waldweg.
Nun hatte ich kein detailliertes Kartenmaterial aus der Umgebung, Navigationshilfen kannte ich damals nur aus Raumschiff Enterprise und ich versuchte nach Gefühl und Straßenschildern zur nächsten Autobahnauffahrt zu kommen. Diese war bereits gesperrt und so ging es weiter, bis eine meterhohe Schneewehe auch diese Straße versperrte. Schnell gewendet und zurückgefahren. Ich hatte Glück: Der Schneepflug kam mir entgegen. Wieder gewendet und hinterher.
Es war später Nachmittag geworden und der Feierabendverkehr und das Schneechaos führten zu gemütlich langsamen Ortsdurchfahrten auf den Landstraßen.
Es war dunkel geworden und musste wohl schon so um die Tagesschau-Zeit sein, als ich irgendwo hinter Hannover wieder auf die Autobahn kam. Kaum Verkehr, tief ausgefahrene Fahrrillen im Schnee, durch die mein R 4 dann fast wie auf Schienen lief. Nur das Aufklettern musste ich durch gelegentliches Gegenlenken verhindern. Von einem Münzfernsprecher in einer Autobahnraststätte habe ich dann unsere Nachbarn angerufen, um meinen Eltern daheim den aktuellen Stand meiner Reise mitzuteilen. Handy gab es noch nicht und wir hatten noch nicht mal ein Festnetztelefon zu der Zeit!
Beim DDR-Grenzkontrollpunkt Marienborn ging es dann auf die Transitstrecke.
Ich hatte an dem Tag das Gefühl, dass selbst die Grenzer Mitleid mit jemand hatten, der bei solchem Wetter mit einem klapprigen R 4 unterwegs ist. Dies ist der Stempelabdruck aus meinem Reisepass für das Transitvisum von Marienborn nach Drewitz vom 14. Februar 1979 um 22:00 Uhr:
Auf der ganzen Transitstrecke bis Drewitz habe ich auf meiner Spur kein einziges Auto gesehen. Nur an einer, wie damals üblichen Winterdienstwendestelle wendete mitten auf der Autobahn ein Schneepflug.
Es muss bereits weit nach Mitternacht gewesen sein, als ich in Westberlin eintraf. Ich hatte eine günstige Übernachtung im Jugendgästehaus –einer Edeljugendherberge- gebucht. Doch die Anmeldezeit war längst vorbei und die Türen verschlossen. Als Schüler fehlte mir die finanzielle Grundlage zum Einchecken in ein Hotel und außerdem war ich der die Auffassung, dass sich das Bezahlen für eine Übernachtung für den Rest der Nacht nicht mehr lohnen würde. Nur was macht man mitten in der Nacht im verschneiten und arschkalten Westberlin?
Einmal die Bernauer Straße rauf, Blick von der Plattform Richtung Schwedter Straße. Beim Weg zurück in der Bernauer Straße kann ich mich wie heute an die taghelle Beleuchtung der Grenzanlagen am Abzweig in die Gartenstraße erinnern. Danach habe ich mich im R 4 in einem alten Bundeswehr-Schlafsack zur Ruhe gelegt. Bald machten sich die empfindlichen Minusgrade auch im Wageninnern bemerkbar. Die Nacht ging früh gegen 5 Uhr zu Ende und ich hab mir den Luxus eines Frühstücks mit einem heißen Kaffee in der Bahnhofsgaststätte im Bahnhof Zoo gegönnt.
Sofort nach Öffnung meldete ich mich dann beim Jugendgästehaus an:
Bin dann zum Übergang Heinrich-Heine Straße. Dort begann die altbekannte Prozedur:
Den Reisepass abgeben, warten, warten, warten, auf die LautsprecherDurchsage achten: „Die Nummern 213, 214 und 216 zum Schalter 2“. Dort kritische Blicke aus der Box: „Schauen Sie mal nach links, machen Sie mal das rechte Ohr frei!“ Pass zurück mit Tagesvisum, Gebühr bezahlt, Zwangsumtausch bzw. Mindestumtausch erledigt. Nochmals feuchte Hände beim Zoll und dann endlich öffnete sich die Tür zu einem anderen Staat.
An welchen der Tage ich mich mit dem Ostberliner Eisenbahnfan traf, weiß ich nicht mehr genau. Ich kann mich noch an eine sehr freundliche Aufnahme im Kreis seiner Familie bei diesem Winterwetter erinnern.
Doch nicht nur im Osten Berlins gab es Dampfbetrieb. Am Abend des 16. Februars 1979 habe ich nach Erwerb einer Bahnsteigkarte die 01 0522-1 vor dem D 1101 von Berlin-Friedrichstraße nach München Ost im Bahnhof Zoo erwischt.
Beide Bilder sind ohne Stativ im Dunkeln ziemlich verwacklungsfrei zustande gekommen!